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Wissenswertes

Quelle: Brockhaus Enzyklopädie

Fliesen, kleine, dünne Stein-  oder Tonplatten zur Bekleidung  von Wänden und Fußböden. Keramische Wand-Fliesen haben einen feinkörnigen, kristallinen, porösen Scherben und eine weiße oder farbige, glänzende oder matte Glasur. Keramische Boden-Fliesen haben einen ein- oder mehrfarbigen, feinkörnigen, dicht gesinterten Scherben (-»Steinzeug); sie sind meist unglasiert, frost- und säurebeständig und haben eine glatte oder eine zur Verbesserung der Trittsicherheit profilierte Oberfläche. Heutige Wand- und Boden-Fliesen werden im Trockenpressverfahren geformt, wobei die genau dosierten Ausgangsmaterialien (Ton, Kaolin, Quarz, Feldspat u.a.) aufgeschlämmt werden, der Schlicker in einem Sprühturm unter Zugabe von heißer Luft (400-600 °C) zu feinem Granulat getrocknet und die Trockensprühmasse anschließend unter hohem Druck gepresst wird. Danach werden die rohen Fliesen  ggf. zu Glasiermaschinen und zum Ofen (i.a. Schnellbrandtunnelofen) transportiert, wo sie im Einbrandverfahren fertiggestellt werden.

Kulturgeschichte:

Die keramische Fayence-Fliese hat im Altertum ihren Vorläufer im glasierten Ziegel  (Fayenceziegel),  der schon um die Mitte des 2. Jahrtausends v.Chr. bekannt war und eine wichtige Rolle in der assyr., spätbabylonischen und altpersischen  Baukunst spielte; als Flachbild oder Reliefbild  (aus Formziegeln) verkleideten die glasierten Ziegel die Bauwerke.

Marmor-Fliesen fanden im griechischen Tempelbau und in der hellenistischen Palast- und Stadtbaukunst für Höfe. Innenräume, Plätze und Straßen Verwendung. Sie wurden seit der späteren Kaiserzeit auch in Rom üblich, später schmückten sie Boden und Ambo frühchristlicher Kirchen und blieben in Italien lange ein wichtiges Dekorationselement.

In der islamischen Kunst wurden glasierte sowie in Lüstertechnik bemalte Fliesen zuerst im 9. Jh. als Wand- und Bodenbekleidung in den Palästen von Samarra verwendet, sodann in der Großen Moschee von Kairouan und bis zum 11. Jh. vereinzelt in Ägypten, Nord-Afrika, Syrien. Reliefgeprägte Fliesen mit farbigen Glasuren zeigen die Bauten der Ghasnawiden in Afghanistan. Produktionszentren in Iran waren Ende des 12. Jh. Kaschan und Raj; die Fliesen zeigen Lüsterbemalung auf weißen, kobaltblauen und türkisgrünen Glasuren. In Kleinasien entwickelten die Seldschuken die Unterglasurmalerei, die Osmanen begründeten Manufakturen in Iznik, deren Spezialität ein Bolusrot war. Diese Manufakturen statteten v.a. die osmanischen Moscheen in Konstantinopel aus. Dagegen ist der Herstellungsort der Fliese nicht bekannt, mit denen im Iran in Isfahan u. a. Städten die Moscheen und Paläste verkleidet wurden. Auf der Iberischen Halbinsel bildet der Sockeldekor der Alhambra und des Alcazars in Sevilla einen Höhepunkt des Fayencemosaiks, dessen Verwendung im Spanien des 15., 16. und 17./18. Jh. noch zunahm.

Seit dem frühen Mittelalter verwendete man in den meisten Ländern einfache Boden-Fliesen mit eingepressten Wappen und Mustern. Angeregt durch die spanische Fliesen-Produktion, stellten seit dem 16. Jh. auch Fayencemanufakturen in anderen europäischen Ländern Wand-Fliesen (Kachel) her;  v.a. die niederländischen Werkstätten in Delft produzierten im 17. und 18. Jh. große Mengen von Kacheln. Von England ausgehend, gewann in der 2. Hälfte des 19. Jh. die Verwendung der Fliese erneut an Bedeutung, besonders zur Zeit des Jugendstils.


Türkische Fliese aus Iznik, 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts (London, Victoria und Albert Museum)

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Holländische Wand-Fliese, Mitte des 17. Jh. (Utrecht Centraal Museum)

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Italienische Wappenfliese um 1500(Florenz, Museo Nationale del Bargello)

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